Sitzung: 22.08.2017 Ausschuss für Finanzen, Liegenschaften und Wirtschaftsförderung
Beschluss: zur Kenntnis genommen
Vorlage: 22/008/2017
Eine Beschlussfassung fand nicht statt.
Sachverhalt:
Gemäß § 6 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) können
die Gemeinden in Niedersachsen Straßenausbaubeiträge erheben. Die Stadt Lohne
hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und erhebt seit jeher
Straßenausbaubeiträge auf der Grundlage einer eigenen Straßenausbaubeitragssatzung.
Die Satzung wurde in der Vergangenheit mehrmals den rechtlichen Anforderungen
entsprechend angepasst, letztmalig in der Neufassung vom 11. Dezember 2003.
Diese Fassung ist demnächst den Rechtsentwicklungen/-empfehlungen der jüngeren Vergangenheit
anzupassen.
Mit dem Inkrafttreten des neuen § 6 b NKAG zum 01.04.2017 gibt es in
Niedersachsen jetzt auch die Möglichkeit der wiederkehrenden
Straßenausbaubeiträge. Nach Informationen anderer Städte und Gemeinden aus
anderen Bundesländern, die bereits die Möglichkeit zur Erhebung wiederkehrender
Straßenausbaubeiträge haben, werden wiederkehrende Beiträge für jeweils
festzulegende Abrechnungsgebiete erhoben. In städtisch geprägten Kommunen kann
das Abrechnungsgebiet nicht die Straßen des gesamten Stadtgebietes umfassen. Es
müssen Abrechnungsgebiete gebildet werden, da auch bei einem wiederkehrenden
Beitrag die unterschiedlichen Straßenkategorien (Anliegerstraße, Straße mit
starkem innerörtlichen Verkehr und Durchgangsstraßen) mit ihren unterschiedlichen
Anliegeranteilen, zu beachten sind.
Die wiederkehrende Beitragserhebung erfordert sehr umfangreiche
Vorbereitungs- und Fortführungsarbeiten und ist nicht kurzzeitig umsetzbar. Die
Arbeiten sind mit eigenem Personal nicht leistbar und würden externer
Unterstützung bedürfen. Mit der jährlichen Beitragsberechnung und -erhebung
dürfte nach Einschätzung des Nds. Städtetages höherer Verwaltungsaufwand
einhergehen.
Die Komplexität des Themas verlangt zur Entscheidungsfindung, ob ein
wiederkehrender Beitrag eingeführt werden soll, weiterer Informationen.
Herr Rechtsanwalt Stephan Klein, Fachanwalt für Verwaltungsrecht von
der Sozietät Dr. Klausing und Klein aus Hannover, hat bereits Vorträge vor
politischen Gremien zu diesem Thema gehalten und wird hierzu im Ausschuss
referieren.
Beratungsverlauf:
Zu diesem Thema
referierte Herr Rechtsanwalt Klein - Fachanwalt für Verwaltungsrecht - von der
Sozietät Klausing & Klein aus Hannover.
Herr Klein ging
zunächst auf die Entstehungsgeschichte ein, die zur Einführung des § 6 b im
Niedersächsischen Kommunalabgabengesetz (NKAG) geführt hat. Als erstes
Bundesland hat Rheinland-Pfalz die Erhebung wiederkehrender Beiträge 1986
eingeführt, aber auch in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein
können sie erhoben werden.
Anhand des § 6b
NKAG erläuterte Herr Klein den Ausschussmitgliedern die Abfolge für den Erlass
einer Satzung. Danach sind für eine Stadt in der Größenordnung von Lohne
mehrere Abrechnungsgebiete zu bilden, da nicht die Gesamtheit der Verkehrsanlagen
in Lohne eine einzige einheitliche öffentliche Einrichtung bilden kann. So
trennen zum Beispiel Bahnlinien und Umgehungsstraßen automatisch
Abrechnungsgebiete. Auch beim Übergang Innen-/Außenbereich und bei der
Behandlung von Wohn- und Gewerbegebieten wäre der notwendige
konkret-individuelle Vorteil nicht identisch, was zu einer Abgrenzung führen
müsse.
Die rechtmäßige
Bildung von Abrechnungsgebieten sieht Herr Klein als höchst problematisch an,
da diese Gebiete in der zu erlassenden Satzung anhand von Plänen
parzellenscharf dargestellt werden müssen und der uneingeschränkten
gerichtlichen Kontrolle unterliegen.
Statt des bisher
differenzierenden Systems werde bei wiederkehrenden Beiträgen ein einheitlicher
Anteil „der Allgemeinheit“ einzurechnen sein, der laut Gesetz bei mindestens 20
% liegen müsse, aber gerichtsfest eher bei 35 – 50 % anzusiedeln sein könnte.
Eine klärende
Rechtsprechung zu allen offenen Punkten werde es in Niedersachsen auf Jahre
hinaus nicht geben, das Risiko sei enorm. In den vielen von ihm auf
Privatklägerseite geführten Verfahren in anderen Bundesländern habe die Kommune
jedes Mal verloren.
Weiterhin wies Herr
Klein auf den enorm hohen Verwaltungsaufwand hin, der mit der Einführung
wiederkehrender Beiträge verbunden ist. So müssen jährlich die rechtlichen
Verhältnisse in den Abrechnungsgebieten geprüft bzw. fortgeschrieben
(Eigentümerwechsel, Grundstücksteilungen etc.) sowie jährliche
Beitragsbescheide erstellt werden. Die Vorarbeiten für eine Satzung belaufen
sich auf einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren. Für jedes Grundstück müssen
Größe und Bebaubarkeit ermittelt werden. Für die Vorbereitung und zukünftige
Bearbeitung sind nach Auffassung bzw. Erfahrungswerten von Herr Klein ca. 2,0
Vollzeitkräfte erforderlich.
Herr Klein verglich
abschließend Vor- und Nachteile der Finanzierung von Straßenausbauten durch
einmalige oder wiederkehrende Beiträge oder über allgemeine Steuererhöhungen.
Er sah in der Erhebung wiederkehrender Beiträge langfristig eine höhere
Belastung für die Bürger,
In der
anschließenden Diskussion wurden von den Ausschussmitgliedern vorrangig die
Punkte der Bildung von Abrechnungsgebieten sowie die damit verbundenen
Unwägbarkeiten und der hohe zu erwartende Verwaltungsaufwand thematisiert.
Befürwortet wurde von einer Sprecherin der SPD-Fraktion die Finanzierung der
Investitionskosten für den Straßenausbau über Steuern. Ihre Frage, ob eine
Beitragsberechnung anhand der vorhandenen Einheitswerte erfolgen könnte, wurde
von Herrn Klein verneint.