Beschluss: mehrheitlich beschlossen

Abstimmung: Ja: 20, Nein: 10, Enthaltungen: 1

Beschluss:

 

Der Rat der Stadt Lohne beschließt gem. § 2 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) die 60. Änderung des Flächennutzungsplanes ´80 sowie die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 137 „Technologie-Centrums Biogas, Langweger Straße“.


Der Allgemeine Vertreter des Bürgermeisters Gerdesmeyer erläuterte zunächst die im Verwaltungsausschuss beratene Vorlage und ging auf den Verlauf der Beratungen im Verwaltungsausschuss ein. Er erläuterte, dass trotz der negativen Entscheidung im Verwaltungsausschuss die Beratung im obersten Gremium Stadtrat möglich sei. Der Rat sei im Hinblick auf die überwiegende Meinung der Mehrheitsfraktion ohne weiteres berechtigt, Entscheidungen an sich zu ziehen. Erforderlich sei nur die Vorberatung im Verwaltungsausschuss, die erfolgt sei. Herr Gerdesmeyer erläuterte weiter, dass eine mögliche Aktionärseigenschaft kein Interessenwiderstreit bedeutet und Ratsmitglieder nicht an der Beratung hindert. Darüber hinaus sei die Beratung über Rechtsnormen, wie z.B. einem Bebauungsplan, von einem möglichen Mitwirkungsverbot nicht erfasst.

 

Bauamtsleiter Kröger erläuterte die Planungen. Er ging insbesondere darauf ein, dass nach dem Plankonzept nur ein Technologiezentrum und keine andere Nutzung möglich sei. Er berichtete, dass sich das Grundstück in dem Eignungsgebiet für Biogasanlagen befinde, dass es durch die Langweger Straße erschlossen sei und dass nach einem früheren Gutachten Geruchsimmissionen in den bewohnten Bereichen nicht entstehen werden. Darüber hinaus sei der Landschaftsschutz nicht beeinträchtigt. In seinem weiteren Vortrag berichtete Herr Kröger über den Umfang der notwendigen Rohstoffanfuhr und die Abfuhr der Reststoffe und das dadurch entstehende Verkehrsaufkommen. Zur Erschließung teilte er mit, dass auf der Langweger Straße voraussichtlich eine Abbiegespur eingerichtet werden muss.

 

Fraktionsvorsitzender Wichelmann ging auf die Beratungen zum bisherigen Standort ein, er zeigte Verständnis für die Sorgen der Brockdorfer Einwohner und berichtete über den einhelligen Wunsch seiner Fraktion, die Firma Envitec in Lohne zu halten, um sich an diesem Standort in angemessener Weise entwickeln zu können. Er ging darauf ein, dass keine reine Biogasanlage, sondern ein Technologie-Centrum errichtet werde, dass das Unternehmen mit derzeit 75 Arbeitsplätzen ein erhebliches Entwicklungspotenzial mit einer aktuellen Umsatzsteigerung von 30% aufweise und dass die Stadt Lohne als Industriestandort stets neuen Technologien aufgeschlossen gegenüber stand. Die Stadt Lohne sei wegen ihrer vielfältigen (auch freiwilligen) Aufgaben auf hohe Gewerbesteuereinnahmen angewiesen. Die Verkehrsbelastungen entstünden wegen der überwiegend in Brockdorf, Mühlen und Ihorst angepachteten Flächen insbesondere im südlichen Außenbereich und nicht in der Ortschaft Brockdorf.

 

Abschließend vermerkte der Fraktionsvorsitzende, dass derartige beanstandungsfrei mit vielen qualifizierten Arbeitsplätzen geführte Unternehmen die Unterstützung der CDU-Fraktion finden. Weiter verwies er auf die ca. 100 im Landkreis Cloppenburg offenbar beanstandungsfrei geführten kleineren Anlagen.

 

Der Vertreter der SPD/G.U.F.-Gruppe Ernst bezweifelte, ob wirklich ein Forschungs- und Technologiezentrum errichtet werde oder ob eine Anlage nur unter dieser Bezeichnung durchgesetzt werden soll. Er bezweifelte, dass Forschungsanlagen eine Leistung von 1,5 Megawatt aufweisen müssen und äußerte sich besorgt, dass im Rahmen von Forschungen und Experimenten auch Pannen auftreten könnten, die eine Gefahr für die Brockdorfer Einwohner bedeuten würden. Der Redner bezweifelte einen in dieser Anlage notwendigen Forschungsbedarf, der in vielen anderen bereits vorhandenen Einrichtungen gedeckt werden könne. Kritisch äußerte er sich zur Förderpraxis derartiger Anlagen durch den Bund. Bei einer entfallenden Förderung bestünden Zweifel, ob derartige Anlagen noch betriebswirtschaftlich sinnvoll betrieben werden könnten. Der Redner sprach sich dafür aus, derartige Anlagen lieber mit Abfallstoffen zu betreiben.

 

Ein Ratsmitglied der CDU-Fraktion kritisierte den Umfang der betriebsbedingten Verkehrsbewegungen und stellte fest, dass auch die Zahl der Rückfahrten beim Verkehrsaufkommen berücksichtigt werden sollten. Er bezeichnete die Abwärmenutzung als sinnvoll und gab dem Unternehmer die Empfehlung, sein Vorhaben nicht gegen den Willen vieler Brockdorfer durchzusetzen.

 

Ein weiteres Mitglied der CDU-Fraktion kritisierte das Vorhaben mit dem Hinweis auf den hohen Bedarf an Produkten, die als Lebensmittel geeignet sind, mit den für die Landwirtschaft zu erwartenden negativen Auswirkungen, der Verknappung der Flächen und Lebensmittel und mit dem gegebenen Widerspruch zu dem erst kürzlich beschlossenen Siedlungsentwicklungskonzept. Den Brockdorfer Einwohnern sei versprochen worden, dass sie 20 bis 25 Jahre vor weiteren Industrie- und Gewerbegebietsplanungen verschont würden. Zu diesem Wort sollte der Rat der Stadt Lohne auch stehen. Abschließend kritisierte die Rednerin den hohen Flächenbedarf und die vergleichsweise sehr geringe Anzahl von Arbeitsplätzen.

 

Ein weiterer Sprecher der CDU-Fraktion betonte, dass die Stadt Lohne stets die Ansiedlung von Industriebetrieben unterstützt habe, dass auch die Firma Envitec unterstützt werden sollte und auch bereits mehrere Nachbargemeinden Interesse an der Ansiedelung dieser Firma geäußert hätten. Der Redner wies auf die zahlreichen im Landkreis Cloppenburg und mehrere in Bakum vorhandene Anlagen hin und erwähnte den Beschluss in Vechta bezüglich einer Anlage auf einem 13 ha großen Grundstück an der sehr stark befahrenen Landesstraße. Zu ethischen Bedenken zitierte der Redner Herrn Dr. Franz Alt, der die Auffassung vertritt, dass die Bioenergie kein Verschulden am Hunger in der Welt trifft. Lediglich 2% der Ackerflächen in Deutschland würden für diese Energieerzeugung verbraucht. Dem gegenüber lägen 30% der Flächen brach. Der Redner verwies darauf, dass für andere nicht lebensnotwendige Dinge, wie z.B. die Produktion von Genussmitteln, ebenfalls landwirtschaftliche Flächen verwendet würden. Die Nichtnutzung nachwachsender Rohstoffe für die Energieerzeugung werde von namhaften Wissenschaftlern als unverantwortlich bezeichnet.

 

Ratsvorsitzender Diekmann gab den Vorsitz an seinen Stellvertreter Haskamp ab und bat um Worterteilung.

 

Er wiederholte bereits früher vorgetragene Bedenken und teilte mit, dass er sich aus ethischen Gründen gegen eine solche Anlage ausspreche, weil in ihr Lebensmittel vernichtet würden. Angesichts des Hungers in der Welt könne er mit seinem Gewissen eine Zustimmung zu einer solchen Anlage nicht vereinbaren. Abschließend rief er die Ratsmitglieder auf, bei der Entscheidung ihrem Gewissen zu folgen.

 

Bürgermeister Niesel äußerte Verständnis für die Sorgen der Brockdorfer Einwohner und rief dazu auf, eine Entscheidung im Interesse der Stadt Lohne zu treffen. Er ging nochmals auf die Transportwege der Rohstoffe ein, erläuterte die Vorteile des ausgewählten Standortes in verkehrlicher Nähe zu den Produktionsflächen und in naturschutzmäßig unbedeutender Lage in unmittelbarer Nähe zur ohnehin emissionsträchtigen Autobahn. Bürgermeister Niesel betonte, dass einem Lohner Unternehmen, einer Lohner Familie in ihrer Heimatstadt die Möglichkeit für die Errichtung eines Technologiezentrums eingeräumt werden sollte. Das Unternehmen sollte vom Stadtrat nicht „die rote Karte“ erhalten. Die Brockdorfer Einwohner sollten die Entwicklung dieser Firma mittragen und akzeptieren, dass eine Vorzeigeanlage errichtet wird, die in Lohne besichtigt werden könnte, um dann in alle Welt verkauft zu werden.

 

Bürgermeister Niesel erwähnte weiter, dass sogar der Heilige Stuhl keine ethischen Bedenken gegen die Nutzung der Bioenergie habe. Die Firma Envitec biete eine Technik an, die in der Welt gebraucht werde. Insbesondere bei den Anlagen, die nachwachsende Rohstoffe verbrauchten, seien Störfälle und Beeinträchtigungen nicht zu erwarten. Die Anlage habe den Zweck, Kunden präsentiert zu werden, so dass ein problemfreier Betrieb auch im vorrangigen Interesse der Firma liege.

 

Bürgermeister Niesel betonte weiter, dass die Anlage auf eine Leistungsfähigkeit von 1,5 Megawatt begrenzt bleibe und dass der Rat planungsrechtliche Vorkehrungen treffen werde, wonach Erweiterungen oder gar die Entstehung eines Industriegebietes ausgeschlossen seien. Die insgesamt verkaufte Fläche werde nicht benötigt. Nicht benötigte Teilflächen, insbesondere ein Grundstücksstreifen entlang der Autobahn, seien zum Teil für eine Begrünung vorgesehen. Die große Fläche würde von der Firma auf Wunsch des Verkäufers akzeptiert.

 

Bürgermeister Niesel betonte weiter, dass die Landesregierung gerade Niedersachsen als Agrarland als für Biogastechnik geeignet ansieht. Er werde sich um eine umfassende Information der Brockdorfer Bevölkerung bemühen und versuchen, die Akzeptanz für dieses Projekt zu erreichen.

 

Ein Sprecher der CDU-Fraktion hob hervor, dass eine Gewissensentscheidung nicht zwangsläufig die Ablehnung beinhalten müsse, sondern dass man nach seinem Gewissen sehr wohl auch der Errichtung der Anlage zustimmen könne.

 

Abschließend teilte der Bürgermeister mit, dass Lohne eine wirtschaftlich erfolgreiche Stadt sei und die Bürger stolz auf diese Stadt sind, dass aber die Erfolge der Vergangenheit mühsam erarbeitet wurden.

 

Ein Sprecher der SPD/G.U.F.-Gruppe beantragte geheime Abstimmung. Für den Antrag stimmten 10 Ratsmitglieder.

 

Städtischer Direktor Becker erläuterte, dass nach der Geschäftsordnung ein Drittel der anwesenden Ratsmitglieder einen solchen Antrag unterstützen müssen. Bei 31 anwesenden Ratsmitgliedern würden somit erst 11 Stimmen zu einer geheimen Abstimmung führen.

 

Der Stadtrat entschied anschließend über den in der Vorlage des Verwaltungsausschusses (6/051/2009) formulierten Beschlussvorschlag.

 

Der dort genannte Vorschlag zur 60. Änderung des Flächennutzungsplanes ´80 sowie zur Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 137 Technologie-Centrum Biogas, Langweger Straße, wurde vom Rat bestätigt.