Beschluss: zur Kenntnis genommen

Der Leiter des Amtes für Familie und Soziales, Kröger, nahm dazu Stellung.

Er führte aus, dass eine allgemein gültige Antwort aus seiner Sicht nicht möglich ist.
Die „Kinderarmut“ ist Teil der vielfachen Diskussionen um die „Armut“, die im allgemeinen Sprachgebrauch in der Regel absolut verstanden wird: arm ist, wer wenig hat und dessen Mittel nicht für einen bestimmten Warenkorb ausreichen.
Armut ist zu unterscheiden von „einfachen“ Entbehrungen aus finanziellen Gründen oder einer scheinbaren Armut aufgrund eines bewusst anders praktizierten Ausgabeverhaltens (z.B. Urlaub statt gesunde Ernährung).
In der Politik usw. wird vornehmlich von einer relativen Armut gesprochen; mit verschiedenen statistischen Maßzahlen wird verglichen mit den Verhältnissen im (sozialen) Umfeld eines Menschen. Häufig wird dabei auf ein bestimmtes Verhältnis des individuellen Einkommens zum Median („Zentralwert“) des (Netto-) Äquivalenzeinkommens („Gleichwertigkeitseinkommens“) abgestellt.

Die deutschlandweite Rechengröße ist zurzeit der Betrag von jährlich 18.797 Euro (monatlich 1.566 Euro; Wert aus 2010). Die Verhältnisse können regional unterschiedlich sein.
Nach Auffassung der EU-Statistiker sind Personen, die nur 60 % des Vergleichseinkommens erreichen „armutsgefährdet“ (jährlich 11.278 Euro; monatlich 940 Euro). Personen mit 40 % des Vergleichseinkommens werden als „relativ arm“ angesehen (jährlich 7.519 Euro; monatlich 626 Euro). Die WHO und die OECD arbeiten teilweise mit anderen Werten.

Diese Werte für Einzelpersonen werden zur Berechnung eines Vergleichseinkommens für Familien mit Faktoren multipliziert (erste erwachsene Person 1,0; weitere erwachsene Person und Kinder ab 14 Jahren 0,5; Kinder unter 14 Jahren 0,3). Bei einem Vier-Personen-Haushalt errechnet sich die sog. Äquivalenzgröße von 2,3. Dieser Haushalt wäre somit bis zu einem Einkommen von 2.162 Euro als „armutsgefährdet“, bei einem Einkommen bis zu 1.440 Euro jedoch als „relativ arm“ einzustufen.
Viele Sozialleistungsempfänger (Alg II / Hartz IV, Sozialhilfe, Asylbew.-leistg.) sind demnach zwar „armutsgefährdet“ aber nicht „relativ arm“. Eine vereinfachte Bedarfsberechnung für einen Vier-Personen-Haushalt (Eltern, zwei Kinder) ergibt beispielsweise für Hartz IV-Empfänger einen Wert von 1.836,20 Euro (Wert 2013).
Wesentlich ist beim Thema „Kinderarmut“ auch, dass es nicht nur eine finanzielle Armut gibt; es gibt auch eine sog. soziokulturelle Verarmung oder auch „soziale Armut“. Dabei geht es um den Mangel an Teilhabe an bestimmten sozialen Aktivitäten als Folge des finanziellen Mangels - mit Auswirkungen in den Bereichen Gesundheit, Familienleben (Umgang miteinander, Erziehung), Bildung, Charaktereigenschaften, kognitive (erkennende, wahrnehmende) Entwicklung usw.

 

Zu den Fragen kann nun Folgendes gesagt werden:

1.    Gibt es Kinderarmut in Lohne?
„Relative Armut“ gibt es wohl nicht bzw. muss es nicht geben, weil Ansprüche und Leistungen aus Sozialleistungssystemen dies verhindern (können). Dies gilt sowohl für die finanzielle als auch für die soziale Armut.

2.    Wie hoch ist der Anteil an Kindern mit Kinderarmut?
Hierzu können keine konkreten Zahlen genannt werden.
In Lohne lebten am 31.12.2012 rund 4.500 Kinder unter 15 Jahren, die als nicht arbeitsfähige Personen gelten; es waren aber ca. 5.570 Kinder unter 18 Jahren.
Nach aktuellen Statistiken sind 520 Lohner Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in Bedarfsgemeinschaften (Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Asylbewerberleistungen) leistungsberechtigt. Das entspricht für Lohne einem Anteil von 9,34 % (großräumigere Vergleichswerte sind nicht genau bekannt; es gibt Hinweise auf 12 % und mehr). Diese Kinder und Jugendlichen sind nach der allgemeinen Definition von Armut zwar „armutsgefährdet“; sie sind jedoch (infolge des Sozialleistungsanspruchs) nicht als „relativ arm“ anzusehen.
Der Anteil der Kinder und Jugendlichen, der infolge von Sanktionen (z.B. Kürzung des Arbeitslosengeldes II) oder der Leistungsversagung in den Bereich der „relativen Armut“ fällt, ist nicht bekannt.
Der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die soziale Armut erleiden (müssen), ist nicht bekannt und vermutlich auch nicht feststellbar.

3.    In welchen Bevölkerungsstrukturen Lohnes ist diese Armut zu finden?
Soziale Armut ist wahrscheinlich in allen Bevölkerungsschichten zu finden.

Ansonsten ist die Armut in Lohne wohl auch in den Bevölkerungsschichten zu finden, die von der Bundeszentrale für politische Bildung genannt werden:
- Schulabbrecher und beruflich gering qualifizierte Jugendliche und Erwachsene,
- Familien mit Landzeitarbeitslosen
- Schwangere
- allein erziehende Frauen
- junge Familien mit kleinen Kindern
- Migranten- und kinderreiche Familien

4.    Gibt es Wissen um die Hintergründe dieser Armut?
Hintergründe sind offensichtlich die finanzielle Situation (der Eltern) und die sozialen Gegebenheiten (z.B. Bildung). Es kommt sicherlich auch auf die Persönlichkeitsstruktur der Betroffenen an (z.B. Charakter, Kernkompetenzen wie z.B. Motivation, Pünktlichkeit).

5.    Woraus begründet sich dieses Wissen?
Einerseits gibt es viele wissenschaftliche Untersuchungen usw., andererseits handelt es sich um Aussagen aufgrund langjähriger Erfahrungen im Umgang mit hilfsbedürftigen Menschen.

6.    Was wird gegen Kinderarmut in Lohne unternommen?
Grundsätzlich sind Strukturen notwendig, die Not erkennen, beurteilen und handeln; handeln bedeutet Beratung, Begleitung und ggf. die Gewährung von Vorteilen oder Sozialleistungen.

Einerseits gibt es Angebote zur Beratung seitens der Agentur für Arbeit, des Jobcenters, der Stadt Lohne und z.B. der Caritas. Andererseits werden auch gesetzliche Leistungsansprüche erfüllt und ggf. freiwillige Leistungen (u.a. der Caritas, Familie in Not) erbracht.

Die Projekte „Neuer Erdenbürgerbesuch“ und „Kinder brauchen eine Familie“ sind spezielle Lohner Aktivitäten. Vergünstigungen (z.B. kostenloses Kopieren von Bewerbungsunterlagen), die Vorteilnahme durch die Rabatzz-Karte, Maßnahmen der Familienförderung usw. mildern zumindest teilweise einen finanziellen Aufwand von Haushalten mit Kindern.

Abschließend wurde die Feststellung getroffen, dass es trotz aller Bemühungen vermutlich nicht gelingen wird, die Kinderarmut vollständig zu beseitigen. Dafür müssten wohl Möglichkeiten gefunden werden, mit denen arme und armutsgefährdete Kinder bis auf das letzte Kind festgestellt werden können (z.B. über einen Datenabgleich) und mit denen Eltern, Kinder und Jugendliche für eine ausreichende Selbsthilfe motiviert werden könnten.

In der anschließenden Aussprache wurden einige Aussagen hinterfragt und diskutiert. Wichtig erscheint, dass weiterhin betroffene Personen beraten werden und sie dadurch auch den Zugang zu den Sozialleistungssystemen finden.